VO₂max – die unsichtbare Kraft deiner Ausdauer

VO₂max ist wie ein Motor unter der Haube – unsichtbar, aber entscheidend. Wer seine VO₂max versteht und trainiert, bleibt auch mit 50+ leistungsfähig und kann jüngere Sportler hinter sich lassen. Hier erfährst du, was dahinter steckt und wie du dein verborgenes Potenzial aktivierst.

Warum VO₂max für Sportler 50+ wichtig ist

Mit 50 Jahren und älter wollen viele Sportler nicht nur „gesund bleiben“, sondern auch weiterhin Leistung bringen – Marathon, Radmarathon & Co. Dabei taucht früher oder später ein Begriff auf: VO₂max.

Die VO₂max beschreibt die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit des Körpers. Genauer: Wie viele Milliliter Sauerstoff dein Körper pro Kilogramm Körpergewicht pro Minute bei maximaler aerober Belastung verwerten kann. Sie zeigt also, wie groß dein „aerober Motor“ ist.

Aber Vorsicht: VO₂max ist wichtig, aber nicht alles. Zwei Sportler mit gleicher VO₂max können völlig unterschiedliche Leistungen abrufen – weil Faktoren wie Laufökonomie, Muskeleffizienz, Taktik und mentale Stärke ebenfalls entscheidend sind.

VO₂max und die aerobe Ausdauerfähigkeit

Die VO₂max ist vor allem ein Maß für die aerobe Leistungsfähigkeit – also dafür, wie gut dein Körper mit Sauerstoff Energie aus „Fett und Kohlenhydraten“ gewinnen kann.

  • Aerob = mit Sauerstoff, effizient, lange durchhaltbar.
  • Anaerob = ohne Sauerstoff, sehr schnell, aber nur kurz möglich (Laktat sammelt sich).

Merksatz: Aerob = Ausdauer-Modus; Anaerob = Turbo-Modus.
Die VO₂max markiert den Punkt, an dem deine Sauerstoffaufnahme am Limit ist. Mehr Anstrengung erzeugt dann nur noch kurzfristige, anaerobe Leistungsspitzen.

⚙️❤️ VO₂max einfach erklärt

  • Messung: Spiroergometrie ist der Goldstandard; Uhren/Apps liefern Schätzwerte.
  • Sportarten: Beim Laufen oft etwas höher als beim Radfahren, da mehr Muskelmasse gleichzeitig arbeitet.
  • Körpergewicht: Da VO₂max in ml/kg/min angegeben wird, spielt das Gewicht eine große Rolle – besonders bei Anstiegen oder Beschleunigungen.

👉 Bildlich gesprochen ist VO₂max die Motorleistung. Ob du schnell bist, hängt zusätzlich vom Benzinverbrauch (Effizienz/Ökonomie) und von deiner Fahrtechnik ab.

VO₂max: Laufen vs. Radfahren

  • Laufen: beansprucht mehr Muskelgruppen (Beine, Rumpf, Arme) → meist der höchste VO₂max-Wert.
  • Radfahren: stärker beinlastig, weniger Muskeleinsatz → VO₂max typischerweise 5–15 % niedriger als beim Laufen.
  • Ausnahme: Hochspezialisierte Radfahrer können auf dem Rad vergleichbare oder sogar höhere Werte erreichen.
  • Fazit: VO₂max ist sportartspezifisch – der Vergleich macht nur Sinn innerhalb derselben Disziplin.
Spiroergometrie

Praxisbeispiele

  • Läufer A: VO₂max 45 ml/kg/min → 10 km in ~55–60 min.
  • Läufer B: VO₂max 60 ml/kg/min → 10 km in ~40–42 min.
  • Läufer C & D: Beide VO₂max 60, aber D läuft schneller, weil er ökonomischer läuft (geringerer Energieverbrauch pro Tempo).

Fazit: VO₂max setzt den Rahmen – was du daraus machst, bestimmen Training, Technik, Erfahrung und der Kopf.

VO₂max und Alter: Was ist normal?

Mit dem Alter sinkt die VO₂max – selbst bei Trainierten. Ab ~30–35 Jahren etwa 5–10 % pro Dekade. Wer aktiv bleibt, verlangsamt den Abfall, stoppen lässt er sich nicht.

Männer (ml/kg/min)

AlterUnterdurchschnittlichDurchschnittÜberdurchschnittlichSehr gutElite
20–29< 3839–4849–5556–62> 63
30–39< 3637–4647–5354–60> 61
40–49< 3435–4344–4950–56> 57
50–59< 3132–4041–4647–52> 53
60+< 2829–3637–4243–48> 49

Frauen (ml/kg/min)

AlterUnterdurchschnittlichDurchschnittÜberdurchschnittlichSehr gutElite
20–29< 2829–3637–4243–48> 49
30–39< 2728–3435–4041–46> 47
40–49< 2526–3233–3738–44> 45
50–59< 2324–3031–3536–41> 42
60+< 2021–2728–3233–37> 38

Hinweis: Normbereiche variieren je nach Quelle leicht; die Tabellen geben eine praxisnahe Orientierung.

👤 Meine persönliche VO₂max-Erfahrung

Im letzten Jahr habe ich eine Spiroergometrie auf dem Fahrradergometer absolviert. Ergebnis: VO₂max 48,3 ml/kg/min. Spannend: Meine Garmin-Uhr zeigt mir aktuell mit VO₂max = 48 fast den identischen Wert an – die Schätzungen stimmen also erstaunlich gut überein.

Allerdings habe ich auch die andere Seite erlebt: Nach meinem Start beim Ötztaler Radmarathon Anfang September gönnte ich mir eine Trainingspause bis Anfang Dezember – nur spontane, sehr lockere Radtouren. Die Folge: Meine VO₂max fiel in dieser Zeit von 48 auf 44 ab. Das zeigt, wie stark dieser Wert von kontinuierlichem Training abhängt.

Mit dem anschließenden gezielten Lauftraining konnte ich den Wert wieder deutlich steigern – zurück auf das hohe Niveau von 48. Das macht mir klar: Auch mit 63 Jahren lässt sich die VO₂max durch strukturiertes Training verbessern und stabilisieren.

Laut der Alters-Normtabelle liegt mein aktueller Wert klar im Bereich „sehr gut“ – was auch mein Sportmediziner ausdrücklich hervorgehoben hat. Das war für mich ein starker Motivationsschub und die Bestätigung, dass sich Kontinuität auszahlt.

Trotzdem zeigt sich eine Diskrepanz: Meine aktuelle 10-km-Zeit von 49 Minuten entspricht nach Jack Daniels einer VDOT von 41 – also deutlich unter meiner VO₂max. Vermutlich liegt das an meiner noch nicht optimalen Laufökonomie oder an weiteren Faktoren wie Technik, muskulärer Effizienz oder Rennerfahrung.

👉 Für mich bedeutet das:

  • Die Basis ist da (VO₂max = sehr gut für mein Alter).
  • Jetzt möchte ich meine Laufökonomie weiterentwickeln, um mein volles Potenzial auch im Wettkampf auszuschöpfen.

Checkliste: So verbesserst du deine Laufökonomie

  • Krafttraining: schwere Grundübungen (z. B. Kniebeugen, Kreuzheben) und Sprungübungen für mehr Effizienz.
  • Lauf-ABC: Technikdrills und Koordinationsübungen ins Aufwärmen einbauen.
  • Intervall- & Bergsprints: kurze, intensive Läufe stärken die neuromuskuläre Ansteuerung.
  • Wettkampftempo trainieren: lange Läufe mit Abschnitten in Ziel-Pace prägen ökonomische Bewegungsmuster ein.
  • Schuhwahl: leichte, moderne Laufschuhe oder Carbon-Schuhe können 2–4 % Effizienzgewinn bringen.
  • Gewichtsmanagement: schlanker, muskulöser Körper verbessert die relative Laufökonomie.
  • Routine: einfach „viel laufen“ – mit zunehmender Erfahrung optimiert sich die Bewegung automatisch.

Kann man VO₂max trainieren?

Ja, aber mit Grenzen.

  • Wirkt: Hochintensive Intervalle, Tempodauerläufe, regelmäßige lange Einheiten.
  • Begrenzt durch: Genetik & Alter.
  • Sicherheit: Intensives Training nur mit ärztlichem Go (Belastungs-EKG).

Praxis: VO₂max-Training – Laufen oder Rad?

  • Laufen: sportartspezifisch, verbessert auch die Laufökonomie → unverzichtbar für bessere Laufleistungen.
  • Radfahren: sehr intensives Training möglich bei geringerem Verletzungsrisiko → ideal als Ergänzung.
  • Kombination: 1 Einheit VO₂max-Intervalle im Laufen + 1 Einheit auf dem Rad = starker Reiz fürs Herz-Kreislauf-System bei gleichzeitig geringer Überlastungsgefahr.
  • Fazit: Für Laufwettkämpfe immer auch laufen, aber Radintervalle sind eine kluge, gelenkschonende Ergänzung.

➜ Praxis: So trainierst du deine VO₂max (nach Joel Friel)

Art der Trainingseinheit Hohe Dosis Moderate Dosis Geringe Dosis
VO₂max-Intervalle
Intensität: an/leicht unter der Pace bei gefühlter maximaler Anstrengung an der aeroben Kapazität
5 × 2:30 min(2:30 min Reg.)
5 × 3:00 min(3:00 min Reg.)
6 × 1:30 min(1:30 min Reg.)
5 × 2:00 min(2:00 min Reg.)
10 × 0:30 s(0:30 s Reg.)
7 × 1:00 min(1:00 min Reg.)
Laktatschwellen-Intervalle
ca. 90–95 % HF an der Schwelle bzw. 88–93 % der funktionellen Schwellenleistung
3 × 12 min(3:15 min Reg.)
2 × 20 min(5:00 min Reg.)
3 × 8 min(2:30 min Reg.)
3 × 10 min(3:00 min Reg.)
3 × 5 min(90 s Reg.)
3 × 6 min(2:00 min Reg.)
Training an der Schwelle
kontinuierlich, ca. −30 bpm zur Laktatschwelle; Dauer je nach Zielwettkampf
2–4 h 1–2 h 30–60 min
Krafttraining
bewegungsspezifisch, vollständige Regeneration nach jedem Satz
7–9 Wdh.
3–6 Wdh.
13–15 Wdh.
10–12 Wdh.
20–30 Wdh.
16–19 Wdh.
Quelle: Joel Friel, Schnell + Fit ab 50, 2017, S. 258. Vor jeder Einheit aufwärmen, danach Cool-down; intensives Training nur nach ärztlichem Check.

Von der Theorie in die Praxis: Beispiel-Woche für Athleten 50+

Die Tabelle von Joel Friel zeigt, welche Arten von VO₂max- und Schwellentraining möglich sind. Doch Theorie allein reicht nicht – entscheidend ist die Umsetzung im Trainingsalltag, gerade für Athleten ab 50, die einerseits gezielte Reize setzen, andererseits aber auch Verletzungen vermeiden wollen.

Ein sinnvoller Weg ist es, Laufintervalle mit Radintervallen zu kombinieren: Laufen bringt die nötige Spezifität, Radfahren setzt starke Reize fürs Herz-Kreislauf-System und schont die Gelenke.

👉 So könnte eine Trainingswoche in der Praxis aussehen:

Tag Training Inhalt
Montag Ruhetag / Mobilität Dehnen, Faszienrolle, evtl. Spaziergang
Dienstag Lauf-VO₂max-Intervalle z. B. 6 × 800 m bei 5-km-Tempo, Pause 2:30 min traben
Mittwoch Grundlagenausdauer 45–60 min lockerer Dauerlauf (Zone 2)
Donnerstag Rad-VO₂max-Intervalle 5 × 3 min hart, 3 min locker rollen
Freitag Krafttraining Kniebeugen, Kreuzheben, Ausfallschritte, Rumpfstabi
Samstag Langer Lauf 90 min im ruhigen Tempo, letzte 15 min im geplanten Wettkampftempo
Sonntag Regeneration Rad locker 60 min oder Spaziergang / Yoga

Hinweis: Intensives Training nur nach ärztlicher Freigabe (Belastungs-EKG). Belastungen können je nach Leistungsstand angepasst werden.

VDOT – die „praktische VO₂max“ für Läufer

Jack Daniels’ VDOT basiert zwar auf VO₂max, berücksichtigt aber zusätzlich die Laufökonomie. Aus realen Wettkampfzeiten wird ein VDOT-Wert berechnet, der konkrete Trainings-Paces liefert.

💡 Tipp für Läufer: VDOT statt allein VO₂max

Jack Daniels’ VDOT ist eine „praktische VO₂max“: Es basiert auf VO₂max, berücksichtigt aber die Laufökonomie und liefert aus einer Wettkampfzeit konkrete Trainings-Paces.

Beispiel: 10 km in 50:00 → VDOT ≈ 40

TrainingsartPace (min/km)
Easy (locker)6:30–6:50
Marathon-Pace~5:40
Interval-Pace~4:50

Rechner: VDOT-Calculator (V.O₂)

VDOT ↔ Wettkampfzeiten (10 km, HM, Marathon) – VDOT 30–60

VDOT10 kmHalbmarathonMarathon
3063:462:21:044:49:17
3162:032:17:214:41:57
3260:262:13:494:34:59
3358:542:10:274:28:22
3457:262:07:164:22:03
3556:032:04:134:16:03
3654:442:01:194:10:19
3753:291:58:344:04:50
3852:171:55:553:59:35
3951:091:53:243:54:34
4050:031:50:593:49:45
4149:011:48:403:45:09
4248:011:46:273:40:43
4347:041:44:203:36:28
4446:091:42:173:32:23
4545:161:40:233:28:26
4644:251:38:273:24:39
4743:361:36:383:21:00
4842:501:34:533:17:29
4942:041:33:123:14:06
5041:211:31:353:10:49
5140:391:30:023:07:39
5239:591:28:313:04:36
5339:201:27:043:01:39
5438:421:25:402:58:47
5538:061:24:182:56:01
5637:311:23:002:53:20
5736:571:21:432:50:45
5836:241:20:302:48:14
5935:521:19:182:45:47
6035:221:18:092:43:25
Quelle: Jack Daniels, Daniels’ Running Formula; Werte nach Kalamazoo Area Runners (VDOT Conversion Table).

Intensität als Schlüssel: Die Botschaft für 50+

Der US-Trainer Joel Friel bringt es in seinem Buch „Schnell + Fit ab 50“ auf den Punkt:
„Intensives Ausdauertraining plus Krafttraining ist der Schlüssel zum Erfolg.“

Warum das gerade für 50+ gilt:

  • Intervalle halten Herz-Kreislauf leistungsfähig.
  • Krafttraining schützt vor Sarkopenie & Verletzungen.
  • Die Kombination bremst den altersbedingten Leistungsabfall deutlich.

Wichtig: Nur mit ärztlichem Okay intensiv trainieren; Aufwärmen & Regeneration ernst nehmen.

Checkliste: Was beeinflusst deine VO₂max?

  • Genetik: Grundlimit, nicht trainierbar.
  • Alter: −5–10 % pro Dekade ab ~30–35.
  • Training: Intervalle, TDL, lange Läufe.
  • Gewicht: Relativer Wert (ml/kg/min) sinkt bei Übergewicht.
  • Herz-Kreislauf: Blutvolumen, Schlagvolumen, Kapillaren.
  • Ökonomie: Effizienz bestimmt, wie gut du die VO₂max nutzt.
  • Lebensstil: Schlaf, Ernährung, Stress, Erholung.

Fazit

Die VO₂max ist ein starker Prädiktor für Ausdauerleistung – aber kein Alleinherrscher. Wer 50+ ist und klug intensiv + kraftbetont trainiert, bleibt lange leistungsfähig und kann weiter starke Wettkämpfe bestreiten. Dein „aerober Motor“ zählt – doch Ökonomie, Technik, Erfahrung und Freude am Training entscheiden mit.

Hinweis in eigener Sache:
Ich bin kein Arzt, Sportwissenschaftler oder zertifizierter Trainer. Alles, was ich hier schreibe, basiert auf meinen persönlichen Erfahrungen sowie eigener Recherche. Mein Ziel ist es, andere zu motivieren und zum Nachdenken anzuregen – nicht, medizinischen Rat zu ersetzen. Wer gesundheitliche Probleme oder Schmerzen hat, sollte unbedingt einen Arzt oder Physiotherapeuten hinzuziehen, bevor er ins Krafttraining einsteigt.


Michael aka Imi

🏃‍♂️ Michael aka Imi

Leidenschaftlicher Läufer, Radfahrer und Kraftsportler aus Frankenberg an der Eder.
Immer auf der Suche nach neuen sportlichen Herausforderungen – und mit Freude dabei, Erinnerungen zu bewahren und zu teilen.

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