Paris–Brest–Paris, Liegerad, Ötztaler: große Träume, harte Ernüchterungen – und doch bleibt der Blick nach vorn.
1. Vom Scheitern zur Suche
Nach meinem ersten 600er Brevet in Gießen, das ich nach 500 Kilometern wegen Schlafmangel und Halluzinationen abbrechen musste, war mir klar: So geht es nicht weiter. Doch aufgeben wollte ich nicht. Zu sehr faszinierte mich die Welt der Randonneure, zu stark blieb der Traum von Paris–Brest–Paris in meinem Kopf. Also begann ich, nach Lösungen zu suchen.
2. Der Traum von Paris–Brest–Paris und die lasurblaue Randonneuse
Mich begeisterte nicht nur das Radfahren an sich, sondern auch die Technik dahinter. Fasziniert von Fahrrädern finde ich bis heute immer einen Grund, mir ein neues Rad schönzureden – und ebenso einen, es später wieder zu verkaufen. Auf diese Weise schlage ich meinem schlechten Gewissen stets ein Schnippchen.
Als der Traum von Paris–Brest–Paris 2019 konkreter wurde, wollte ich nicht nur ein neues Rad – ich wollte mein perfektes Rad. Eine auf Maß gefertigte Randonneuse, die all meine orthopädischen Probleme lösen sollte. Schluss mit Bastellösungen am Rennrad, Schluss mit provisorischen Gepäckträgern oder Lichtanlagen. Ich stellte mir ein Rad vor, das von Grund auf für die Langstrecke gebaut war: mit integrierter Beleuchtung, Schutzblechen, Halterungen für Taschen und der Möglichkeit, breite Reifen zu fahren. Letztere versprach ich mir als Schlüssel zu mehr Komfort und weniger Ermüdung – zumindest in der Theorie.
Nach langer Recherche im Internet und vielen Blicken auf die Räder erfahrener Randonneure stieß ich auf Sven Krautscheid aus Bochum, Rahmenbauer und zugleich Komplettanbieter. Er bot auch ein rudimentäres Bikefitting an – und genau das suchte ich. Ich nahm mein bestes Rad als Referenz mit, jenes, auf dem ich bisher am besten saß, und fuhr nach Bochum.

Drei Stunden sprachen wir, er maß mich aus, hörte zu, und schließlich stand der Auftrag fest: eine lasurblaue Randonneuse, mit silbernen Schutzblechen, 43 Millimeter breiten Reifen, fest montierter Beleuchtung, einer klassischen Zweifach-Schaltung vorne und elf Ritzeln hinten. Natürlich durfte mein Selle Anatomica nicht fehlen – farblich passend in hellem Braun. Das Ganze auf einem eleganten Stahlrahmen, der Robustheit und Komfort versprach.
Fast ein Jahr sollte es dauern, bis das Rad fertig war. Immer wieder musste ich nachhaken, ob es voranging. Im November 2018 hielt ich sie endlich in den Händen: meine Traumrandonneuse. Damit wollte ich 2019 beim legendären Paris–Brest–Paris starten.

Nach einem absolvierten 400-km-Brevet 2018 war ich bereits registriert. 2019 hätte ich noch die komplette Serie über 200, 300, 400 und 600 Kilometer fahren müssen, um mich endgültig zu qualifizieren – doch dazu kam es aus privaten Gründen nicht.

Damit platzte mein Traum vom Start in Paris, und zugleich stand ich wieder am Anfang. Das Maßrad war zwar ein technisches Meisterstück, löste aber meine grundlegenden Probleme nur teilweise. Also begann ich erneut nach Alternativen zu suchen – und stieß auf eine Idee, die mich schon länger begleitete: das Liegerad.
3. Das Liegerad-Experiment – Hoffnung auf Schmerzfreiheit
Liegeräder waren für mich lange Zeit eine exotische Randerscheinung, die ich nur von Brevets kannte. Dort traf ich immer wieder Fahrer, die vom Rennrad umgestiegen waren, weil sie massive Sitzprobleme hatten – und plötzlich mit dem Liegerad schmerzfrei Hunderte von Kilometern abspulten. Der Gedanke ließ mich nicht los: Könnte das auch für mich die Lösung sein?
Ich wandte mich an das Velomobilforum, wo sich die Experten dieser Szene austauschten – und stellte dort meine Anfrage. Ich schilderte meine Erfahrungen mit Sitz- und Nackenproblemen, meine Anforderungen, meine Vorlieben und mein Budget. Es war wie ein Hilferuf: „Ich möchte gern etwas Neues probieren. Könnt ihr mir helfen, das richtige Liegerad zu finden?“
Die Resonanz war überwältigend. Zahlreiche Antworten trudelten ein, viele mit eigenen Erfahrungsberichten. Schon bald fiel die Entscheidung: ein Wolf & Wolf Alpentourer, ein Schweizer Liegerad, gebaut für Touren und lange Strecken, ausgestattet für mein Terrain im Mittelgebirge.
Als das Rad schließlich bei mir stand, war die Euphorie groß. Endlich ein Rad, das versprach, die ewigen Schmerzen im Hintern und die Verspannungen im Nacken hinter mir zu lassen. Und tatsächlich: die ersten Fahrten bestätigten genau das. Keine Druckstellen, keine tauben Finger, keine krampfenden Schultern. Auf dem Liegerad lag ich bequem wie in einem Sessel – und konnte dennoch Kilometer um Kilometer fahren.

Doch bald zeigte sich die Kehrseite. Im Mittelgebirge bedeutete jede längere Steigung einen zähen Kampf. Was ich mit dem Rennrad locker im Rhythmus hochgekurbelt hätte, wurde im Liegerad zur Qual. Die fehlende Möglichkeit, aus dem Sattel zu gehen, machte sich gerade an Rampen von 10–15 % brutal bemerkbar. Bei Ausfahrten in meiner Heimat musste ich erleben, wie mich selbst Freizeitradler an den Anstiegen überholten.
Ironischerweise trug mein Rad den Namen Alpentourer – und gerade dort, am Berg, wurde es für mich zur größten Hürde. Andere Liegeradfahrer meistern damit sogar Alpenpässe, doch ich hätte wohl noch viele zehntausend Trainingskilometer gebraucht, um mich dort wirklich heimisch zu fühlen.

Drei Jahre lang testete und experimentierte ich, schwankte zwischen Hoffnung und Ernüchterung, bevor ich die bittere Entscheidung traf: Das Liegerad musste weg. Es war alles andere als leicht, denn die Vorstellung, endlich schmerzfrei Langstrecke zu fahren, hatte mich lange getragen. Doch am Ende überwog die Erkenntnis: So bequem es auch war – für mich war es nicht der richtige Weg.
4. Ernüchterung – Brevets ad acta gelegt
Nach drei Jahren mit dem Liegerad stand meine Entscheidung fest: Ich verkaufte es. Der Traum von schmerzfreien Brevets hatte sich zerschlagen.
Damit legte ich das Thema Brevets zunächst ad acta. Zu viele Baustellen, zu viele Enttäuschungen. Zwar hatte ich mit dem Selle Anatomica einen Sattel gefunden, der vieles erträglicher machte, doch die Summe der Probleme – Sitz, Hände, Nacken – raubte mir die Freude an den langen Distanzen.
Es war eine Ernüchterung, die weh tat. Denn das Ziel Paris–Brest–Paris hatte mich jahrelang beflügelt, und plötzlich stand es in weiter Ferne.
5. Ötztaler Radmarathon
Nach meinen Brevet-Erfahrungen und dem Traum von Paris-Brest-Paris rückte im Jahr 2024 ein weiteres großes Ziel in den Mittelpunkt: der Ötztaler Radmarathon.
Doch dieser Traum endete am Brennerpass. Nach 121 km und 2.200 Hm überschritt ich die Karenzzeit um wenige Minuten und musste das Rennen beenden. Tragisch war das nicht – eher eine Erleichterung, denn meine Kräfte waren nahezu aufgebraucht. Rückblickend muss ich zugeben, dass ich mich überschätzt hatte. 6.000 km und 67.000 Hm in acht Monaten Training waren für einen Neuling in den Alpen einfach zu wenig.

Trotzdem war der Ötztaler eine wertvolle Erfahrung. Erst durch das Scheitern habe ich realistisch einschätzen können, welche Anforderungen dieses Rennen wirklich stellt. Ein „Nie wieder“ war mein erster Gedanke – aber heute, mit etwas Abstand, sehe ich das differenzierter. Vielleicht gibt es einen zweiten Versuch, zumal ich ab Dezember als Rentner deutlich mehr Zeit für die Vorbereitung haben werde.
6. Ausblick – ein offenes Kapitel
Damit stehen aktuell drei große Ziele im Raum, die meine sportliche Zukunft prägen könnten:
- Frankfurt-Marathon 2025 als nächster Höhepunkt und Standortbestimmung.
- 100 km Biel – mein Traum im Ultralauf.
- Paris-Brest-Paris oder ein erneuter Ötztaler Radmarathon, falls die Leidenschaft fürs Radfahren wieder stärker in den Vordergrund rückt.
Egal in welcher Disziplin – Laufen, Radfahren oder beides in Kombination – mein sportliches Motto bleibt: immer in Bewegung bleiben, Kontinuität und herausfordernde Ziele setzen.
🏃♂️ Michael aka Imi
Leidenschaftlicher Läufer, Radfahrer und Kraftsportler aus Frankenberg an der Eder.
Immer auf der Suche nach neuen sportlichen Herausforderungen – und mit Freude dabei, Erinnerungen zu bewahren und zu teilen.
📌 Serie „Meine sportliche Vita“ – Dieser Beitrag ist Teil einer fortlaufenden Rückblickreihe.
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